Author's Chapter Notes:
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. Bin gespannt, ob es euch gefällt... lg mendalizy.
Der Preis der Liebe

Die Musik war laut, fast ohrenbetäubend. Aber sie genoss die Musik, die Freiheit, die Gesellschaft der Freundinnen. Ihre Schwester erlaubte ihr diese Nacht in Bronze zu verbringen. Es gab noch zwei Stunden, bevor sie nach Hause gehen sollte.

Das junge Mädchen schloss ihre Augen und bewegte sich nach dem Rhythmus der Musik. Sie hob ihre Hände hoch und bewegte ihre Hüfte manchmal schnell und manchmal langsam. Es hing von der Musik ab. Einige Minuten später existierte nur die Musik. Die laute, aber befreiende Musik.

Dann plötzlich fühlte sie noch etwas. Einen Blick. Jemand beobachtete sie. Jemand hinter ihr folgte mit den Augen ihren Bewegungen. Sie drehte sich langsam um und versuchte sich ganz normal zu bewegen, zu benehmen. Und ja. Sie hatte Recht. In einer dunklen Ecke saß jemand, der so merkwürdig aussah. Sie wusste, dass sie so schnell wie möglich verschwinden sollte. Aber sie konnte es nicht tun. Sie war zu neugierig.

Sie näherte sich langsam dem Fremden und erblickte einen jungen Burschen, welcher in einem alten Halloween-Kostüm in der Ecke saß. Sie musste laut auflachen. Ein Junge in einem Vampir-Kostüm in einer Stadt, wo „lebendige“ Vampire existierten. Das war so komisch.

„Hi“, sie trat näher. „Wo hast du dieses uralte Kostüm her? Echt cool.“

„Gefällt es dir wirklich?“ Er sah mit bestürzten Blicken das braunhaarige Mädchen an. „Bisher habe ich niemanden gefunden, dem mein Kostüm gefallen hätte.“

„Ist das hier die Party, zu der du wolltest?“ Sie nahm neben ihm Platz.

„Ich glaube nicht. Aber ich finde das Haus nicht, in dem die Halloween-Party stattfinden sollte. Dann hörte ich Musik und kam rein.“

„Heute? Wolltest du wirklich heute an einer Halloween–Party teilnehmen? Hast du den Tag nicht verfehlt?“

„Nein. Ich glaube nicht. Aber warum fragst du?“

„Vorgestern war Halloween. Vorgestern gab es wirklich viele Partys, wo Leute in solchen Kostümen herumgelaufen sind.“

„Was?“ er sah Dawn erst stutzig, verständnislos, dann verzweifelt an. „Nein“, er schüttelte heftig seinen Kopf. „Nein, bestimmt nicht. Ich bin mir sicher, dass die Patry heute stattfindet. Ich bin mir sicher. Ich bin mir sicher. Ich bin mir sicher …“, wiederholte er ständig seinen letzten Satz. Manchmal leise, manchmal lauter.

„Ich heiße Dawn Summers“, fiel das Mädchen ihm schnell ins Wort.

„Ööö … ich … ich bin Stephen Brown. Es freut mich. Aber sag mal, hast du keine Angst vor mir?“

„Vor dir“, lachte sie wieder auf. „Vor einem so nettem Vampir? Nie im Leben.“

„Könntest du dann bitte, ein bisschen hier bleiben? Neben mir?“

„Hey, was ist passiert?“ Dawn entdeckte etwas Merkwürdiges in Stephens Augen. Angst, Furcht, Unsicherheit. Seine Augen flitzten hin und her, er musterte die Tänzer, als ob er jemanden suchen würde, als ob er vor jemandem Angst haben würde. „Stephen“ sprach sie ihn wieder an. „Stephen, hörst du mich?“ Sie berührte vorsichtig seine Schulter und im nächsten Moment sprang sie auf, als der Bursche neben ihr aufschrie.

„Entschuldige, entschuldige“, flüsterte er. „Ich wollte dir keine Angst machen.“

„Kein Problem“, Dawn setzte sich zurück. „Nur bitte, mach das nie wieder.“

Er konnte nur nicken. Dann sah er sich wieder um, bevor er sich näher zu Dawn beugte. „Weißt du, ich habe einige Stunden vorher etwas gesehen. Etwas Furchtbares.“

„Was meinst du?“, fragte Dawn leise und sie fühlte, dass ihr Herz schneller pochte. Sie war neugierig.

„Ich glaube, ich habe ein Monster gesehen. Ein Monster, mit so merkwürdigem, seltsamen Gesicht. Es hatte gelbe Augen und spitze Zähne. Und sein Mund war rot von Blut. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Und ich fürchte, dass dieses Monster mir hierher gefolgt ist.“ Die Stimme des Jungen bebte, seine Hände zitterten.

„Du hast bestimmt einen anderen Jungen in einem Halloween - Kostüm gesehen“, versuchte Dawn ihn zu beruhigen, obwohl sie ganz genau wusste, dass der Junge einen echten Vampir getroffen hatte.

„Du glaubst mir nicht“, sprang der Junge auf. „Warum will mir keiner glauben? Ich weiß, was ich gesehen habe. Ich weiß es! Ich weiß es!“ Im nächsten Moment rannte er raus. Dawn versuchte ihm zu folgen, aber er war schneller und verschwand in der Dunkelheit. Sie ging langsam zurück, aber dann verließ sie doch lieber den Club. Sie hatte keine Lust mehr zu tanzen. Sie fühlte sich gar nicht mehr so froh und so wohl. Sie wollte einfach nach Hause gehen, um alles gründlich überlegen zu können.

*****

Am nächsten Tag war Dawn schon ziemlich früh im Bronze. Sie sorgte sich um den Jungen. Vielleicht war er ja heute da. Wenn er doch nur auch heute hierher kommen würde. Wenn sie ihn wieder sehen könnte. Wenn … Wenn … Es gab so viele „wenn“. Aber sie wollte es zumindest versuchen. Kein Glück. Er war nicht da. Nach stundenlanger Warterei stand das braunhaarige Mädchen langsam auf und näherte sich der Tür.

„Hast du mich vielleicht gesucht?“

Dawn drehte sich blitzschnell um und erblickte einen netten, gut aussehenden Jungen vor ihr. Die Stimme kam ihr bekannt vor, aber das Gesicht nicht. „Kennen wir uns?“, fragte sie vorsichtig.

„Hey, gestern Abend, als ich das alberne Kostüm getragen habe, hattest du keine Angst vor mir. Und jetzt, wenn ich ganz normal aussehe, fürchtest du dich?“

„Stephen?“ Dawn wollte ihren Augen nicht trauen. Gestern hatte sie einen ängstlichen Jungen in einem unmöglichen, albernen Kostüm kennen gelernt. Und jetzt? Sie sah einen Jungen mit kurzen, blonden Haaren, mit grauen, wunderschönen Augen, die immer lächelten. Und er sah mit seinem ziemlich blassen Gesicht, mit den kleinen Grübchen an seinem Kinn so süß aus. Träumte sie, oder stand vor ihr wirklich der Mann, auf den sie immer gewartet hatte? Konnte das wirklich wahr sein?

„Dawn? Ist alles in Ordnung? Du siehst so merkwürdig aus.“

„Nein“, sie hob ihre Hände beruhigend. „Es geht mir gut. Ich muss mich nur hinsetzen. Ich fühle mich, als ob ich … als ob mein Herz …“ Ihr Gesicht wurde krebsrot. ‚Worüber spreche ich? Warum kann ich ihm nichts Vernünftiges sagen?’

„Da ist noch Platz“, Stephen zeigte auf einen Tisch.

„Wie bitte?“

„Da. Wir können uns da hinsetzen. Oder fühlst du dich schon besser?“

„Was? Nein. Nein. Doch. Ööö... Setzen wir uns lieber.“

Die nächsten zwei Stunden vergingen schnell. Mit Unterhaltungen, mit Lachen, mit Anekdoten. Während den Stunden konnte Dawn sich kaum vorstellen, dass sie mit dem gleichem Jungen sprach, der gestern noch so ängstlich war. Jetzt war er selbstsicher, ruhig, froh. Am liebsten wollte sie noch weiter mit ihm plaudern, aber sie sollte nach Hause gehen. Wenn sie ihr Zimmer jemals im Leben wieder verlassen wollte, dann musste sie jetzt los und noch vor ihrer Schwester die Haustür erreichen.

„Werden wir uns wieder treffen?“ Sie hatte Angst, dass sie den Jungen nie wiedersehen würde.

„Warum nicht? Ich hatte schon lange keinen so guten Abend mehr wie heute. Ich wäre froh, wenn ich deine glänzenden Augen wiedersehen könnte, wenn ich deine klingende Stimme wieder hören könnte.“

Dawn errötete erneut. Als Antwort nickte sie und verließ schnell das Bronze, bevor der Junge hinter ihr es sich noch einmal überlegen konnte.

Am nächsten Tag nach Einbruch der Dunkelheit stand sie wieder vor der Tür des Bronze. Mit zitternden Händen öffnete Dawn die Tür und trat ein. Auf ihren Lippen erschien ein breites Lächeln, als sie ihn am Tisch in der Ecke erblickte. Von diesem Moment an hörte sie die laute Musik im Club nicht mehr, für sie existierte kein Mensch mehr, nur er. Nur er mit seinen wunderschönen, grauen Augen, die sie total verhexten. Sie nahm neben ihm Platz, gab ihm ein leichtes Küsschen, legte ihre Hand in seine flache Hand, die sich langsam schloss.

„Hi, schön dich wieder zu sehen, meine Schönheit.“

*****

„Nein! Nein! Und nochmal nein!“ Buffy stand mit in die Hüften gestemmten Armen in der Haustür. „Ich werde dich nie im Leben reinlassen. Ich habe diesen Fehler schon einmal begangen. Noch einmal bestimmt nicht.“

„Jägerin!“ Spike schrie ihr verzweifelt nach, als sie die Tür vor seiner Nase schließen wollte. „Lass mich rein! Jägerin! Das ist nicht fair.“

„Nicht fair“, drehte sie sich so schnell um, dass Spike nach hinten treten musste. „Nicht fair? Was ist nicht fair, Spike?“

„Ich darf nicht rein, weil ich ein Vampir bin. Aber warum lässt du andere Vampire in dein Haus?“

„Was?“ lachte sie spöttisch auf. „Du bist lächerlich. Weißt du! Vampire in meinem Haus? Das war ein sehr – sehr schwacher Versuch, Spike.“

„Warte, Buffy. Weißt du es wirklich nicht? Hast du ihn nicht erkannt?“

„Hör sofort damit auf, Spike. Ich werde dich nicht reinlassen. Geh weg!“, schrie Buffy und im nächsten Moment wurde die Tür zugeschlagen.

„Es geht um Dawn“, sagte Spike erst leise, aber dann brüllte er aus vollem Halse. „ES. GEHT. UM. DAWN!“

„Du bist ein Schwein, Spike“, Buffy rannte raus und griff nach dem Mantel des Vampirs. „Lass meine Schwester aus deinem hinterhältigem Spiel!“ Ihre Augen funkelten und ihre Stimme zitterte vor unkontrollierter Wut. „Verschwinde von hier, sonst werde ich dich pfählen“, sie stieß ihn weg.

„Nein, Buffy, warte. Ich sage die Wahrheit. Er ist ein Vampir. Ich bin sicher.“

„Spike, ich warne dich. Wenn du …“ Sie konnte ihren Satz nicht beenden. Der Blick in Spikes Augen sagte ihr, dass er die Wahrheit gesprochen hatte. Konnte es wirklich wahr sein, dass ihre Schwester sich in einen Vampir verliebt hatte? Warum konnte sie, die Jägerin, die bekannten Zeichen nicht erkennen? Die blasse Hautfarbe, die kühle Körpertemperatur, die Liebe zur Dunkelheit, der durchdringender Blick. Ihre Jägerinnensinne warnten sie immer, wenn ein Vampir in ihrer Nähe war. Ein unverwechselbares Kribbeln in ihrem Genick warnte sie. Immer. Sie versuchte sich verzweifelt zu erinnern. Hatte sie in der Gesellschaft des Jungen auch so etwas gefühlt? Sie wusste es nicht. Sie wusste eigentlich fast gar nichts über den Jungen. Sie wusste nicht einmal seinen Namen. Sie wusste nur, dass sie immer zu beschäftigt war. Sie hatte kaum zugehört, als Dawn über ihren neuen Freund in Superlativen geschwärmt hatte. Und jetzt fühlte sie sich elend. Wenn ihre Schwester bereits Vampirfutter wäre, dann hätte sie das auf dem Gewissen. „Warum … warum tötete er Dawn nicht?“, fragte sie in einem kaum hörbaren Ton.

„Ich weiß es nicht, Pet. Ich weiß es wirklich nicht. Erst dachte ich, dass ich mich geirrt habe, als du ihn so einfach reingelassen hast. Eine Jägerin würde einen Vampir nie im Leben reinlassen. Na ja, ein- oder zweimal ja, aber... Aber das ist unwichtig“, sagte er schnell, als er Buffys zornige Augen erblickte. „Aber gestern sah ich ihn, als er sein Opfer mit Lust tötete. Er ist ein Vampir, Buffy. Und Dawn liebt ihn, sie trifft ihn seit … seit drei Wochen.“

„Willow!“, Buffy rannte ins Haus. „Willow!“

„Ich komme schon“, hörte die Jägerin die Stimme ihrer Freundin. „Was ist passiert?“

„Du musst mir helfen. Sofort. Es geht um Dawn. Sie ist in Gefahr. Hol deinen Laptop! Wir müssen etwas herausfinden.“

„Wonach soll ich suchen, Buffy?“, fragte die rothaarige Hexe, als sie ihren Laptop auf den Tisch legte.

„Sein Name ist Stephen … Stephen … Ich erinnere mich nicht.“

„Stephen Brown“, sagte Spike, der immer noch vor der Barriere stand, die ihm den Eintritt verwehrte.

Buffy schloss ihre Augen, holte tief Luft. „Komm rein, Spike.“

„Sein Name ist Stephen Brown“, wiederholte Spike, als er zu den Frauen trat.

Willow tippte den Name ein, wartete, dann fing sie an, laut vorzulesen.

„Stephen Brown (18) verschwand am 10.05. Er wollte an einer Halloween-Party teilnehmen, aber er kam nie an. Als er verschwand trug er ein Vampir–Kostüm: schwarze Hose, schwarzes Hemd und einen schwarzen Mantel. Sein Gesicht war maskiert. Es war weiß geschminkt und er trug ein Vampir–Gebiss. Bitte, rufen Sie diese Telefonnummer an, wenn Sie ihn sehen.“

„Es gibt auch ein Bild von ihm“, Buffy zeigte auf den Bildschirm.

„Ich habe ihn gesehen. Aber jetzt hat er ein echtes Vampir–Gebiss. Was? Habe ich etwas Falsches gesagt?“, empörte sich der blonde Vampir, als Buffy ihn nicht gerade sanft zur Seite schob.

„Halt die Klappe“, die Jägerin hob warnend ihren Finger. „Komm und hilf mir.“

„Wenn du meine Hilfe brauchst, dann sei ein bisschen netter zu mir. Ich habe Gefühle. Ich habe ein sehr großes Herz, das du gebrochen hast... Erst solltest du es …“ Seine Augen weiteten sich, als sich die Spitze eines Pflockes in sein Fleisch bohrte.

„Dein Herz werde ich sehr schnell zerstäuben, wenn du noch ein Wort sagst. Hilfst du mir oder nicht? Du brauchst nur nicken.“

„Buffy.“

Die Jägerin ließ den Vampir sofort los, als sie die erschrockene Stimme der rothaarigen Hexe hörte. „Was hast du gefunden?“

„Einen anderen Artikel. Über einen anderen Stephen Brown. Über den Vater des Jungen. Warte, ich lese ihn vor.

„Eine furchtbare Familientragödie erschütterte unsere kleine Stadt. Seit zwei Tage versucht die Polizei den verschwundenen Jungen – Stephen Brown – zu finden. Gestern Abend wurde die Leiche des Vaters, Stephen Brown (52) gefunden. Laut Polizeibericht hat er sich selbst getötet. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er seine ganze Familie umgebracht. Zuerst wohl seinen Sohn, dessen Leiche noch immer nicht gefunden wurde.“

„Oh, mein Gott“, flüsterte Buffy, „er hat seine Familie schon getötet. Es ist nur die Frage der Zeit, bis er Dawn auch töten wird. Wir müssen sie warnen. Wir müssen sie suchen.“

„Warte!“, rief Willow ihrer Freundin nach. „Sie wollte in die Bibliothek gehen. Wenn alles in Ordnung ist, dann wird sie bald hier sein. Sie möchte unbedingt nach Hause kommen, bevor sie ihn im Bronze trifft.“

„Bist du sicher, Willow? Wenn ihr etwas passiert … ich … ich“

„Hi, Leute!“ begrüßte Dawn fröhlich ihre Freunde. „Was ist passiert? Ihr seht aus, als ob jemand gestorben wäre. Ihr solltet fröhlich sein. Das Leben ist so schön.“ Sie lachte laut auf und verschwand in der Küche.

„Dawn. Wir müssen reden.“ Buffy ging langsam ihrer Schwester hinterher. Sie versuchte die passenden Worte zu finden. Sie wusste, wenn sie ihrer Schwester die Situation nicht gut erklärte, könnte sie Dawn endgültig verlieren. „Dawn. Könntest du bitte zuhören?“

„Ja, natürlich“, sie biss in ihr Brötchen. „Aber ist es wirklich so wichtig?“, fragte sie mit vollem Mund. „Weil ich nicht viel Zeit habe. Stephen wartet schon auf mich.“

„Es geht um Stephen.“

„Was?“, Dawn blickte mit besorgtem Gesicht ihre Schwester an. „Was ist passiert? Ist er verletzt?“

„Dawn … Er ist …“

„Oh, mein Gott. Ist er schwer verletzt?“

„Nein, Dawn. Bitte …“

„Oh, nein!“, schrie das junge Mädchen auf. „Ist er tot? Oh, mein Gott. Er ist gestorben. Aber … aber wie …“, die Stimme brach ihr.

„Wenn wir es so sehen, dann … dann ist er wirklich tot.“

Sie schüttelte verzweifelt ihren Kopf. „Nein. Wie? Warum?“

„Ein Vampir …“, Buffy suchte die richtigen Worte, „ein Vampir hat ihn getötet. In der Nacht, als er … als er an einer Party teilnehmen wollte. Vor drei Wochen...“

„Vor drei Wochen … ? Das verstehe ich nicht“, Dawn blickte erst ihre Schwester, dann Spike an. „Das ist nur ein Witz? Oder?“

„Nein, Dawn. Es ist kein Witz. Es ist die Wahrheit. Am Abend, als du ihn zuerst getroffen hast, war er schon ein Vampir, ein Neuling. Deswegen war er so verschreckt. Er wusste nicht, was mit ihm passiert war. Er hatte Erinnerungen, die er nicht verstehen konnte. Und es gab niemanden, der ihm helfen konnte.“

„Nein. Nein. Nein“, wiederholte Dawn immer wieder. „Du lügst. Es geht ihm gut. Du bist nur eifersüchtig, weil ich glücklich bin, weil ich einen netten Jungen gefunden habe.“

„Was? Dawn! Nein! Er ist ein Vampir. Ein Mörder, der seine eigene Familie getötet hat. Und er wird dich auch töten. Er spielt nur mit dir.“

„Nein! Nein!“ Das verwirrte, junge Mädchen rückte mit tränenfeuchten Augen in Richtung der Eingangstür. „Ihr lügt. Ihr seid alle Lügner. Er ist kein Vampir. Er ist der romantischste, netteste und höflichste Junge, den ich jemals gesehen habe. Und er lebt. Er lebt immer noch. Wenn er ein Vampir wäre, dann hätte ich es schon bemerkt.“ Während sie sprach, erreichte sie langsam die offen stehende Tür. „Ich werde es dir“, sie zeigte auf Buffy, „nicht gestatten, mein Leben zu ruinieren. Wenn es sein muss, dann gehe ich lieber weg. Ich verlasse diese blöde Stadt für immer. Und ihr werdet mich nie wiedersehen. Nie wieder“, brüllte sie, dann drehte sie sich blitzschnell um, rannte raus und verschwand in der Dunkelheit.

„Dawn! Dawn! Daaaaawn!“, Buffy rannte ihr hinterher, aber sie konnte ihre Schwester nicht einholen, Dawn war schon weg. Die Jägerin fiel auf der Straße auf die Knie und vergrub ihren Kopf in den Händen.

„Jägerin“, Spike berührte sanft ihre Schulter. „Wir sollten ihr folgen, ihr helfen. Sie ist in Gefahr.“

„Was … was ist, wenn er sie wirklich liebt? Wenn ich mich geirrt habe? Wenn er sie wirklich nicht töten will.“

„Buffy“, Spike holte unnötigerweise einmal tief Luft, „ein Vampir, der keine Seele hat, kann nicht lieben; er hat keine Gefühle.“

„Du hast auch Gefühle. Du kannst auch lieben. Aber weil du nur ein Vampir bist, will ich deine Gefühle einfach nicht wahrhaben. Was ist, wenn ich alles Gute wirklich nur ruinieren kann? Wenn ich die wahre Liebe nicht erkennen kann? Wenn ich mich mit der Liebe eines Mannes nicht beschäftigen will, weil er ein Vampir ist? Was ist, wenn ich alleine bleiben werde, weil ich die Person, die mich liebt, von mir stoße? Meine Schwester verdient ein anderes Leben. Ein besseres Leben.“

„Jägerin?“ Spike war verblüfft. Hatte er sich verhört? „Jägerin?“, fragte er erneut. „Hast du über uns gesprochen?

„Geh weg, Spike“, flüsterte Buffy und ging langsam zurück.

„Und was ist mit Dawn? Sollten wir ihr nicht nachgehen, ihr helfen? Er wird sie töten.“

„Wenn er das drei Wochen lang nicht getan hat, dann wird er sie heute Abend auch nicht töten. Morgen. Morgen werde ich ihn suchen, mit ihm sprechen und wenn es sein muss, dann werde ich ihn töten.“

„Aber sie ist deine Schwester“, brüllte Spike. „Du solltest sie beschützen, ihr Leben retten. Jägerin!“

„Nicht heute“, Buffy schloss die Tür hinter sich.

*****

„Dawn!“

„Hi, Stephen“, begrüßte sie den Jungen. „Wie geht es dir?“

„Gut danke. Ist etwas passiert?“, fragte er, als er von Dawns Gesicht eine einzelne, verirrte Träne abwischte.

„Ich habe etwas sehr Schlimmes erfahren.“

„Was ist passiert, Kleines? Ich höre dir zu und wenn ich kann, dann helfe ich dir. Ich mag es nicht, wenn ich dein schönes Lächeln nicht sehen kann.“ Er trat noch näher an Dawn heran, um ihr Gesicht streicheln zu können.

Dawn griff nach seiner Hand und drückte sie noch fester an ihr Gesicht. Sie wollte sich in Sicherheit fühlen. Sie wollte die Nähe ihres Freundes fühlen. Sie war so allein. Aber wenn sie bei ihm war, dann vergaß sie die Welt, die Probleme und fühlte sich sofort im Himmel. Sie war sofort der glücklichste Mensch. Und sie wollte wieder diese Sicherheit, seine Nähe fühlen. Aber sie fühlte etwas ganz Anderes. Es gab für sie keine Sicherheit mehr. Es gab genauso keinen Himmel mehr. Es gab nur die Wahrheit. Die schrecklichste Wahrheit, die sie je erleben musste. Die Hand, die ihr Gesicht streichelte war kalt. Die Haut dieser Hand war nasskalt. Sie legte ihren Kopf auf die Brust des Jungen und ihr stockte der Atem. Es gab keinen Herzschlag. Ihr Freund atmete nicht. Ihr Freund war ein Vampir.

„Dawn? Liebes, was ist passiert?“

„Seit wann?“, fragte sie leise.

„Ich verstehe dich nicht.“

„Wie viele Menschen hast du schon getötet, Stephen? Seit wann bist du ein Vampir?“

„Am Tag“, sagte er nach langem Schweigen, „als wir uns zuerst im Bronze getroffen haben, wachte ich als Vampir auf. Aber ich wusste nicht, wer ich bin, was ich bin. Ich war nur ein toter, verwirrter Mensch, der seinen Platz in der Welt der Lebenden suchte. Und wie viele? Ich weiß es nicht. Ich habe meine Opfer nicht gezählt.“

„Und mich? Wann wolltest du mich töten?“

„Dawn“, er umfasste ihr Gesicht, um ihr in die Augen sehen zu können. „Ich liebe dich. Ich liebe das nette Mädchen, das vor mir steht. Also dachte ich, dass ich dir Zeit gebe, bevor ich … ich dich überzeuge, meine Partnerin zu sein. Ich wollte dir erst Zeit geben, dich an den Gedanken zu gewöhnen, in der Dunkelheit zu leben. An meiner Seite. Als meine Prinzessin.“

„Und wenn ich nein sage? Wenn ich alt werden will? Wenn ich keinen Mensch töten will? Wenn ich nicht ewig leben will? Wenn ich nur im Licht leben will? Wenn ich …“

„Dawn“, er legte seinen Finger auf ihre Lippen. „Gib mir eine Chance, dir die Schönheit meiner Welt zu zeigen. Glaub mir, es wird dir gefallen. Die Kraft, die Macht, die ich habe, die ich aus meinen Opfern aussauge. Komm mit mir. Du solltest es zumindest ansehen, ausprobieren. Dawn! Nur einmal. Du sollst nur einmal ausprobieren, was das für ein Gefühl ist, wenn du einen Mensch tötest, wenn dein Opfer in dir weiterlebt. Es wird dir gefallen. Ich bin mir sicher“, flüsterte er und beugte sich zu Dawns Hals herunter. „Ich bin mir sicher. Nur ein Biss, ein einziger Biss und wir werden ewig leben.“ Seine Zähne berührten schon die Haut seiner zukünftigen Prinzessin. „Es tut nur einen Augenblick weh. Ich werde sehr sanft sein. Bist du bereit, Dawn?“

„Ja“, kam die kaum hörbare Antwort. Sie hob ihre Hände, umarmte ihn und zog ihn noch näher zu sich. „Es tut nur einen Augenblick weh“, flüsterte sie und stieß den Pflock in ihrer Hand in das tote Herz ihres Freundes. Einen Moment lang blickte sie in sein verwundertes Gesicht, dann verwandelte er sich in Staub, der ihr tränenfeuchtes Gesicht bedeckte.

„Ich liebe dich auch“, sie ließ ihre Hand und den Pflock fallen und ging langsam in Richtung ihres Hauses.

ENDE





You must login (register) to review.